Steve Skaith & Mike Jones zu ‚Modern Times‘

Steve Skaith und Mike Jones – ‚Modern Times‘ Interview
Latin Quarter’s Debütalbum ‚Modern Times‘ aus dem Jahre 1985, wurde jetzt auf dem Cherry Red Label mit fünf zusätzlichen Bonustracks neu veröffentlicht. Aus diesem Grund gaben Steve Skaith und Mike Jones Radioafrica.co.uk ein Exklusivinterview. Da Steve Skaith in Mexiko und Mike Jones in Liverpool lebt, war es nicht möglich beide zusammen zu interviewen, deshalb wurden sie getrennt voneinander befragt, ohne das einer die Antworten des anderen kannte. Erst danach wurde ihre Antworten für das vollständige Interview kombiniert.

Was bedeutet Euch die Neuauflage von ‚Modern Times‘ bei Cherry Red Records?

Latin Quarter Steve Skaith and Mike Jones
Steve Skaith und Mike Jones

Mike Jones: Es bedeuted eine ganze Menge. Wenn eine Plattenfirma denkt, dass die Neuveröffentlichung eines 17 Jahre alten Albums ein kommerzieller Erfolg sein könnte – warum nicht . Und man glaubt es nicht, dass es schon 17 Jahre her ist !!! ( Ich fühle mich wie Les von Crème Brulee!)
Steve Skaith: Nun, es war eine schöne Überraschung. Es ist gut daran erinnert zu werden, besonders zu einer Zeit, in der ich versuche wieder Fuß zu fassen und mein neues Album ‚Mexile‘ zu veröffentlichen.

Wie denkt ihr nach so vielen Jahren über das Album?

Mike: Ich denke immer noch sehr positiv darüber, es scheint noch immer kein schwacher Moment darauf zu sein.
Steve: Ich habe eine große Schwäche dafür. Die Jahre, in denen wir es schrieben und die ersten Demos machten, waren für mich wirklich großartig und kreativ – ich habe so viel über Musik gelernt. Jedoch ich wünschte, es wäre lieber in den 60’er Jahren gemacht als in der Mitte der 80’er Jahre, weil ich denke, dass die meisten Platten aus der Mitte der 80’er Jahre ziemlich schrecklich klingen: die ganzen Synthesizer und Effekt-Maschinen und ‚Modern Times‘ ist definitiv eine Platte aus dieser Zeit!

Welche Songs auf ‚Modern Times‘ sind Eure eigenen Favoriten und welche nicht so?

Mike: Das klingt vielleicht ziemlich eitel, aber ich kann es nicht sagen. Nochmals, es gibt keine schwachen Momente, keine schlechten Songs. Es gibt Produktionsstreitfragen, welche wir damals nicht lösen konnten. Ich hätte gerne irgendeinen Guru der erscheint und die Probleme löst, aber es sind nur Kleinigkeiten (der Drum Sound bei ‚No Ordinary Return‘, zurück zum B-Seiten Synthesizer Sound für ‚Eddie‘, eine echte Hammond bei ‚Truth About John‘ mit mehr Bedeutung – das heißt, mehr wie ‚Highway 61‘ und kein Saxophone in ‚America for Beginners‘!!!)
Steve: Ich glaube mein Favorit ist entweder ‚America for Beginners‘ oder ‚No Rope as Long as Time‘. Es ist wegen des Prozesses diese zu schreiben. Ich erinnere mich an einen späten Samstag abend, als ich in meinem Zimmer das erste mal ‚America for Beginners‘ aufnahm. Als ich diese hohen Backing Vocals zufügte haute mich der Effekt echt um. ‚No Rope‘- weil ich mich happy fühlte wenigstens einen Text geschrieben zu haben, der mit all dem Material mithalten konnte, welches Mike mir Woche für Woche schickte.

Einige Musikkritiker sind der Meinung, dass viel Musik aus den 80’er Jahren zu künstlich und zu `synthesized´ klingt, aber ‚Modern Times‘ scheint diese Fehler besser als andere vermieden zu haben. Würdet Ihr dem zustimmen?

Mike: Ich denke schon – das ist ein faszinierendes Diskussionsthema. Jetzt arbeite ich in einem Musikbereich, wo mir sehr bewußt wird, wie wenig ich eigentlich von Musik verstehe und wie es funktioniert. Zum Beispiel: Letzte Nacht begann ich mir einen Film anzusehen und das Erste was mir dabei in den Sinn kam war, wie es so in den 80’er Jahren war – der Film war von 1987. Der Synthesizer- und Drum-Machine-Sound des Soundtracks war schrecklich, absolut scheußlich, dennoch, zu dieser Zeit wollten sie fortschrittlich sein. Latin Quarter wurden schließlich viel zu Synthesizer-abhängig (Ich denke wir hatten einmal 5 Keyboards auf der Bühne), deshalb waren die späteren Inkarnationen (die weit weniger erfolgreichen Latin Quarter von Anfang bis Mitte der 90’er Jahre) in vieler Hinsicht überzeugender. Selbst den Fender Rhodes Piano-Sound habe ich nie gemocht. Da, wo die Instrumentierung und Performance von ‚Modern Times‘ betroffen ist denke ich, dass wir glücklich darüber waren, nicht zu viel von diesen sehr veralteten Sounds auf dem Album zu haben – dies war eher zufällig Im wesentlichen waren Latin Quarter eine konventionelle Rockband, die vergleichsweise ’natürliche‘ Keyboard-Sounds verwendete und nur Synthesizer benutzte, um den Klang von Piano und Orgel zu erzeugen.
Steve: Nein, ich stimme wirklich diesen Kritikern zu.

‚Modern Times‘ wird gelobt als pure, musikalische Alchimie – ein Mix aus Reggae, Rock, Funk und Pop. Was waren die musikalischen Einflüsse und warum solch eine große Soundvielfalt?

Mike: Diese Frage kann wohl wirklich nur Steve Skaith beantworten. Aber ich bin froh, dass wir diese Vielfalt hatten. Sicherlich war dies niemals geplant und es war jedesmal eine Freude die Demos zu erhalten – sie hätten nicht besser zu den Texten passen können. Das Songwriting war textgesteuert und Steve komponierte um den Text herum, so wie er es für am geeignetsten hielt. Unsere größten Streitigkeiten hatten wir, als ich nicht verstehen konnte, warum er eine spezielle Fassung für passend hielt – aber das war ziemlich selten.
Steve: Wie Du weißt, haben wir die Songs geschrieben bevor die Band gegründet wurde. So gab es auch keine Möglichkeit für eine Single, einen Bandsound oder eine Annäherung. Ich arbeitete als Songwriter für Chappell’s und deshalb vermute ich, dass wir für jeden Stil offen waren der zum Text oder zur Stimmung des Songs paßte. Das eine grundlegende Ding war der Sinn für ‚Pop-Haken‘, den die meisten Songs versuchten zu haben. Obwohl wir ohne einen echten Glauben an einen Mainstream-Erfolg begannen denke ich, dass es in diesem Pop-Sinn eine Annäherung an den Mainstream gab.

Können die Texte von ‚Modern Times‘ nach all der Zeit noch immer standhalten? Und auf welche Texte seid Ihr besonders stolz?

Mike: Ja, das können sie. Jedoch gibt es da eine gewisse Naivität, durch welche ich mich ein bißchen unbehaglich fühle – die unklaren Anspielungen in ‚Toulouse‘, eine gewisse Unausgeglichenheit in ‚Truth About John‘ und ich bin mir nicht sicher, ob ‚Cora‘ so eine gute Idee war – aber der Text enthält ein paar gute Passagen. Am stolzesten bin ich auf die Textsammlung ‚Long Pig‘.

In seinem Q-Magazin Review von ‚Modern Times‘ sagte John Aizlewood, dass die Themen überholt sind, aber nicht die Musik. Sind sie es wirklich? Betrachtet man die heutigen Probleme in Afrika und mit Bush im Weißen Haus haben sich die Dinge ja auch nicht viel verändert.

Steve: Ich denke, dass sich die Einzelheiten der Themen deutlich geändert haben. Aber Du hast recht, heutzutage könnte ein neuer Songwriter ganz einfach einen Song an Hand von ‚Radio Africa‘ oder ‚America For Beginners‘ schreiben. Aber die Texte sollten nicht nur danach beurteilt werden. Ich würde immer noch jeden herausfordern bessere und brillantere Texte als auf den Latin Quarter Alben zu finden. Sie waren niemals moralisch oder Slogans, eher sehr sorgfältig geschriebene Analysen und Beschreibungen von Situationen.
Mike: Ich denke er hat beides – Recht und Unrecht! Die Welt dreht sich weiter, Zusammenhänge verändern sich, die Menschen bekommen mehr Informationen, Helden werden zu Bastarden (wie Mugabe!), Nebenbedeutungen verschieben sich usw. – das sind die Gefahren für jede politisch engagierte Äußerung. Ich glaube ‚Modern Times‘ ist keine Kunst, weil Picasso’s ‚Guernica‘ auch nicht veraltet ist …. Das Seltsamste was ich gehört habe ist, dass ein Radiosender in Simbabwe fast jeden Tag ‚Radio Africa‘ spielt, aber vermutlich wegen der zustimmenden Äußerung über Mugabe. Ich sollte jetzt gegen Mugabe sein, aber der Text des Songs ist passend gewesen und zu einem anderen politischen Tagesordnungspunkt gemacht worden – ein bißchen wie der Versuch der Konservativen die ‚Macht des Volkes‘ und die ‚Vorstellungskraft‘ zu rauben.‘

‚Radio Africa‘ ist der bekannteste Song des Albums. Obwohl es einige positive Veränderungen in Afrika gegeben hat, scheint die Situation heutzutage immer noch genauso schlecht zu sein. War die Botschaft des Songs – Hoffnung auf eine bessere Zukunft – unangebracht?

Steve: Hatte der Song eine Hoffnungsbotschaft? Nun ja, zu dieser Zeit dachten wir, dass gewisse Anführer wie Mugabe einen Kampf gegen die andauernde, kapitalistische Vorherrschaft in der Region leiten könnten, aber die Hoffnung auf ihn war definitiv unangebracht.

Die fünf Bonustracks auf dem Album werden die Fans freuen, besonders da vier von ihnen bisher noch nicht auf CD erhältlich waren. Wie denkt Ihr über die Songs, da sie ja doch das gesamte Gefühl für das Album verändern?

Steve: Dazu habe ich keine besondere Meinung. Ich liebe ‚Voices Inside‘ und ich bin glücklich, es nach all den Jahren wieder zu hören. ‚This Side of Midnight‘ hingegen ist mehr zum Spaß und ich würde es nicht vermissen, wenn es nicht auf dem Album wäre. Es ist live von einem Gig in Hamburg, als wir dummerweise unseren Drummer dazu aufforderten, es so schnell wie er nur konnte zu spielen. Er machte es und keiner von uns konnte wirklich mithalten.
Mike: Das ist definitiv eine strittige Frage. Selbst die US-Veröffentlichung von ‚Modern Times‘ war damals eine. Es ist ein Trend, nicht wahr? – sogar Love und The Byrds wurden auf diese Art veröffentlicht. Ich bin nicht unglücklich darüber, denn es ist eindeutig zu erkennen, wo das Original-Album endet. Dennoch bin ich von der Auswahl nicht beeindruckt – ich hätte ‚Pyramid Label‘ anstelle des 12″ ‚Modern Times‘-Remixes bevorzugt, aber es war ja auf ‚Nothing Like Velvet‘.

Einige der Bonus-Songs hätten leicht in der Original -Veröffentlichung von ‚Modern Times‘ enthalten sein können. War es eine schwere Entscheidung diese Songs wegzulassen? Habt Ihr gute Erinnerungen, wenn Ihr die Songs wieder hört?

Steve: Eigentlich hätten diese Songs nicht enthalten sein können, denn ‚Modern Times‘ wurde für Vinyl aufgenommen und nicht für CD. Auf Vinyl gab es eine Art ´40 Minuten` Aufnahmelimit, mehr ging nicht , ohne dabei etwas an Qualität oder Lautstärke zu verlieren. Zumindest war dies damals die allgemeine Ansicht, obwohl ich mich daran erinnern kann, dass Elvis Costello versuchte dies in Frage zu stellen.
Mike: Ich hatte immer etwas andere Ansichten von dem was auf veröffentlichten Alben sein sollte und was nicht. Ohne eine Liste der Demos vor mir ist es sehr schwer zu sagen, was sonst noch auf ‚Modern Times‘ hätte veröffentlicht werden können – aber ‚Voices Inside‘ ist ein phantastischer Song und ich hätte ihn sehr gerne auf einem Album gehabt.

Die 12″ Version von ‚Modern Times‘ ist ein Beispiel für einen Remix, der sogar besser ist als die Originalversion. Seid Ihr mit den Remix-Versionen der Singles von ‚Modern Times‘ zufrieden gewesen? Wieviel Mitspracherecht hattet Ihr dabei?

Steve: Um die Wahrheit zu sagen, ich kann mich nicht mehr so genau an die Remix-Versionen erinnern. Ich denke ich fand sie auf eine Art interessant, aber wenn ich ganz ehrlich bin, nahm nicht viel Notiz davon.
Mike: Wir hatten viel zu wenig Mitspracherecht. Jeff Gilbert, der das Label leitete, machte zu viele herkömmliche Dinge mit uns. Er sah Latin Quarter als neue Fleetwood Mac, als absoluten Mainstream mit riesigem Potential. Es ist selbstverständlich erfreulich dafür gehalten zu werden und er machte auch immer das, was er sagte – aber wir waren niemals diese Art von Band. Latin Quarter’s größtes Problem war, das wir nie erklären konnten was wir eigentlich gewesen sind. Daher machten die Plattenfirmen ihre Versionen. Ich mag den Remix nicht, weil er teilweise ein Ergebnis von „du mußt eine 12″ Version haben“ war – nun, warum? Es tat uns nicht gut, es kostete ein Vermögen (was natürlich auch unseren Schulden zugerechnet wurde) und was noch schlimmer ist, es war eine andere Veröffentlichung. Ein weiterer Faktor, der uns so untergraben hat, war die ständige Veröffentlichung von Singles. Wir haben anscheinend wie eine verzweifelte Band gewirkt. Die einfachste Lösung wäre gewesen ‚Modern Times‘ zu streichen und mit einer Neuveröffentlichung zu warten bis ‚Radio Africa‘ in den Charts ist. Die Tatsache, dass ‚Modern Times‘ in Großbritannien kein Hit-Album war, ist einfach irrsinnig.

Toyah veröffentlichte eine beinahe identische Version von ‚America For Beginners‘ auf ihrem ‚Minx‘ Album. Mögt Ihr diese Version?

Mike: Nein, nicht weil sie so ätzend war, sondern weil es ein offensichtlicher Diebstahl des Produzenten war. Er hatte unsere Demos und wollte uns produzieren, tat es aber nicht. Dann gab er Toyah unsere Demo und die nahm sie dankbar an. Gott sei Dank wurde es kein Hit für sie!
Steve: Wir haben versucht diese Veröffentlichung zu stoppen, nicht weil wir sie nicht mochten, sondern weil sie kein Recht hatten sie zu veröffentlichen, bevor wir unsere Version draußen hatten. Sie veröffentlichten trotzdem und wir kümmerten uns nicht darum sie zu verklagen (was wir aber hätten machen können). Der Produzent dieser Platte, Chris Neill, traf mich und war interessiert diesen Song (und ‚Radio Africa‘) mit uns zu produzieren. Das geschah aber nicht und so nahm er die Demos und kopierte sie für Toyah. Nein, ich mochte die Art wie sie es sang nicht.

Nigel Gray, der für seine Arbeit an den Police Alben bekannt ist, produzierte ‚Radio Africa‘ und Pete Hammond den Rest des Latin Quarter Albums. Wie kam die Zusammenarbeit mit diesen Produzenten zustande?

Steve: Ich bin geneigt diese Frage weiterzuleiten. Ich hätte mir gewünscht, weiter mit Nigel zu arbeiten, aber nach ‚Radio Africa‘ machten wir einiges zusammen, was sich wirklich als schludrig und nicht überzeugend erwies. Der springende Punkt war, das Nigel eine harte Zeit durchmachte, teilweise weil The Police ihn furchtbar neppten und er sich nur schwer damit abfinden konnte. Deshalb arbeiteten wir mit Pete weiter, einem befreundeten Ingenieur, der schon eine Menge mit unserem damaligen Keyboarder Steve Jeffries zusammengearbeitet hatte.

So viele Bandmitglieder bei Laune zu halten, muß den Aufnahmeprozeß von ‚Modern Times‘ damals ziemlich schwierig gestaltet haben – besonders mit drei Sängern. War dies der Fall und wer entschied, wer welchen Song singt?

Steve: Nein, bei ‚Modern Times‘ war das nicht der Fall. Wie ich schon sagte, wurde ‚Modern Times‘ hauptsächlich geschrieben bevor die Band gegründet wurde. Deshalb hatten wir auch eine klare Vorstellung davon, wie die Songs aufzunehmen sind. Ich glaube, die Probleme die du ansprichst, hatten wir eher später, beim gefürchteten zweiten Album. Wer entschied, wer welche Songs auf ‚Modern Times‘ singt? – Ich denke, ich traf diese Entscheidungen.

Mike sagte in einem Interview, das jedes Latin Quarter Album eine Art Kompromiß war. Welche Kompromisse mußtet Ihr bei ‚Modern Times‘ eingehen?

Steve: Ich glaube, da mußten wir die wenigsten Kompromisse eingehen. OK – wegen des Budgets bekamen wir nicht das ‚No Ordinary Return‘ das wir wollten und auch noch ein oder zwei andere Sachen (‚Modern Times‘ hätte noch ein bißchen explosiver sein können). Aber im großen und ganzen denke ich, wir gingen ins Studio um das Album zu machen, egal was passiert.

James Swinson’s großartiges Cover gibt dem Album ein zeitloses Äußeres und unterstützte dadurch den reichhaltigen, musikalischen Stil. Dennoch, gab es keinen Druck, weil die Band nicht auf dem Cover der Singles oder des Albums war?

Steve: Ich kann mich an keinen derartigen Druck erinnern. Ich glaube, die Plattenfirma war sehr glücklich mit dem Cover. Ich weiß, in Deutschland wollten sie, dass ich meine Zähne machen lasse, aber das ist eine andere Geschichte.

Letzte Frage: Mike, Du sagtest uns vor einiger Zeit, das Du das Schreiben aufgegeben hast und das alles hinter Dir liegt. Ändert die Veröffentlichung vielleicht jetzt Deine Meinung?

Mike: Es ist jetzt schon lange her, das ich einen Song geschrieben habe und ich bezweifele sehr, ob ich es überhaupt noch kann (das ist nicht wie Fahrrad fahren!). Ferner fehlt mir die Motivation. Als Steve und ich anfingen zu schreiben, waren wir beide politisch aktiv und teilten einen speziellen, politischen Standpunkt. Ich bin niemals wirklich von der Marxistischen Theorie abgewichen, die erklärt warum die Welt so ist, wie sie ist. Ich bin aber sicher kein Aktivist mehr und der Ausspruch ‚ausgebrannt‘ kommt mir in den Sinn. Mein Problem ist, das ich jetzt in einem Musikfachbereich arbeite – ich unterrichte Musikindustrie und auch Songwriting – in dem ich von so vielen unglaublich talentierten Leuten umgeben bin und deshalb auch ein Teil von mir in Versuchung gerät wieder zu schreiben. Nicht weil ich irgend etwas beweisen muß, sondern weil ich mich wieder daran erinnere, dass Musik zu machen eine angenehme Aktivität ist (oder es zu sein scheint).

Ich bin mit Latin Quarter’s Verständnis über Erfolg weit schwerer zurechtgekommen, als die bedrückenden Interviews mit mir verraten. Auch komme ich nicht mit dem Erfolg von Oasis zurecht, nicht weil ich mich darüber ärgere oder glaube, dass das Latin Quarter hätten sein können – das hätten wir nicht, sondern weil es bedeutete, das Markus Russel in der Lage ist im Musikgeschäft zu bleiben und ich war es nicht. Ich habe meine eigene Negativität satt. Die Welt bleibt ein herausfordernder und stimulierender Lebensraum. Unterrichten ist auf eine Art kreativ, aber vielleicht, nur vielleicht, kann ich wieder Freude am Schreiben finden – jedoch scheint es im Moment nur eine entfernte Möglichkeit zu sein.