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Bescheidenheit und Zurückhaltung sind keine Grundvoraussetzungen in der Popbranche. Wie wir wissen ist das Gegenteil der Fall. Vielmehr ist es als hinderlich zu erachten, außerhalb der Spotlights mit Ernsthaftigkeit Gehör zu finden. Doch manchmal genügt einfach nur schöne Musik, die zudem, wie bei Latin Quarter, moralische Grundwerte vermittelt.
Aber das kommt davon, wenn man, wie Steve Skaith und Richard Wright geschehen, in reiferen Jahren zum Banjo greift. Die Verbiegungen des Charakters durch die böse Musikbranche geschieht stets in jungen Jahren. Davor waren diese zwei Herren gefeit, als man sich entschloß, nach abgeschlossenem Studium mit Anfang Dreißig die Welt des Pop zu erschließen.
Die grauen Schläfen Steves wirken ebenso seriös, sein dezentes, zurückhaltendes Auftreten signalisiert Abgeklärtheit. Freundlich steht er Rede und Antwort. Berichtet aus seiner Studentenzeit als er als links-engagierter Student sich für Rechte der Postachtundsechziger einsetzte. Wie viel mehr an Themen hätte ihm die Thatcher-Ära geboten. Zwar, so meint er, sei er nun doch moderater geworden, aber seine Wut über die britische Politik des Sozialabbaus und der Entsolidarisierung weiter Kreise der britischen Bevölkerung hat nicht nachgelassen.
Bescheidenheit prägt auch seine Einschätzung eigener Musikalität. Große Sprüche, ehrgeizige Konzepte sind nicht formuliert worden. „Wir haben einfach herausgefunden“, meint Steve lakonisch, „daß wir schöne Lieder schreiben können. Es hat keine Vorsätze gegeben.“ Es war eher ein Hobby, dem sich Steve zusammen mit dem alten Schulfreund Richard widmete. Er ist sogar überzeugt, daß ein Zuviel an Konzeptionellem vom Weg abgebracht hätte.
„Wir schreiben unsere Musik für die Leute, die es mögen“, stapelt er tief und ihm muß sein politisches Engagement erst mühsam entlockt werden. In England lebten sie momentan „in einer demoralisierenden Zeit.“ Das mache es schwer, Klarheit in die Gedanken zu bringen, wie sie es im allegorischen Song „Long Pig“ oder bei „Phil Ochs“ versucht haben. Botschaften, so Phil, kleideten sie eher ironisch ein wie in „Coming Down To Pray.“
Das gelte auch für konkrete Forderungen an die Politik. Gerade in England werde viel darüber debattiert, wie der Krieg auf dem Balkan zu beenden sei. Dabei vergesse man, daß im eigenen Land ein Bürgerkrieg tobe, den die britische Regierung ständig herunterspielt. „Britische Truppen haben Nord-Irland zu verlassen“, ist Steve überzeugt, „nur so ist auf Dauer eine friedliche Lösung zu erzielen.“
Aber Dinge dieser Art mit Musik auszudrücken sei fast unmöglich. Musik ist eben doch eine recht akademische Sache. Klar bewundere er viele Singer/Songwriter, aber auch solch epochale Platten wie „Sandinista“ von Clash, überschätzen wolle man sich dagegen keineswegs. Sie sähen sich als Künstler, und als solcher sollte man immer Skrupel haben sich zu überschätzen.
Dieter Wolf; 26.EB/METRONEM Nr.46 – Dezember `93/Januar `94