Steve Skaith in Mexico

In seinem Interview mit Consumable sagte Mike Jones, dass SPV [die Record Company, die „Bringing Rosa Home“ veröffentlichte] den Eindruck hinterlassen habe, sie sähe Latin Quarter als eine langfristige Verpflichtung. Vermutlich hielten sie sich nicht an diese Verpflichtung?
Das taten sie leider nicht. Es liest sich nie gut, wenn Gruppen oder Artisten sich über ihre Record Companie beklagen. Es ist, wie wenn wir uns über schlechte Kritiken beschweren; es hört sich an wie Gejammer. Und natürlich, wenn wir ein Album wie „Sergeant Pepper“, „Born To Run“ oder sogar „The Bends“ gemacht hätten, wäre uns SPV zu Diensten gestanden.Aber wir haben dennoch ein gutes Album gemacht. (Das haben sogar die Kritiker zugegeben!) Und SPV hielten ihr Versprechen ganz sicher nicht. Ich empfehle sie nicht.

Singer Songwriter Steve Skaith in Mexico

Seit „Bringing Rosa Home“ herausgekommen ist, bist Du nach Mexiko City gezogen. Warum?Ich mußte mein Leben ein bisschen aufrütteln und aus dem Trott, in den ich gefallen war, herauskommen. Ich wollte Spanisch lernen und eine neue Kultur erleben. Ich konnte es nicht ausstehen, wieder mit dem Schreiben und Aufnehmen von neuen Songs zu beginnen; Dann noch einmal nach einer europäischen Record Company zu rennen und um einen langfristigen Vertrag zu bitten – das war mir zuviel. Es schien mir eine gute Zeit zu sein, um weiterzugehen. Ich war hier in den Ferien und traf einen Musiker, der interessiert war, mit mir zusammenzuarbeiten. Es war ein langsamer Prozess; Aber ich denke, langsam beginnt es zu funktionieren. Ich fühle mich erfrischt und äusserst eifrig, eine neue Platte herauszubringen. Mister-langfristige-Verpflichtung – ich bin hier drüben!

In seiner Kritik von „Swimming Against The Stream“, hat John Aizlewood gesagt, dass Du das ideale Mundstück für Mike Jones‘ Texte warst. Du wirst deswegen bestimmt enttäuscht sein, dass Mike Jones keine Liedertexte mehr schreibt?
Ja, das bin ich. Es war belebend, als Mike so produktiv schrieb. Jede paar Wochen kam ein neuer Brief an, mit vier oder fünf neue Texten; die waren immer eine grosse Inspiration.Ich fand es immer einfacher, Musik für schon geschriebene Texte zu komponieren, und manchmal wurde ich von der Grossartigkeit seiner Texte ganz bezaubert. Die Ähnlichkeit unserer Erlebnisse und unserer Weltanschauung zeigte, dass er der ideale Schreiber für viele meiner Gedanken und Gefühle war.Im Moment gibt es noch Überreste von seinen Texten und ich benütze sie immer noch. In den neuen Aufnahmen gibt es noch drei oder vier Mike Jones Texte, die zum ersten mal das Tageslicht sehen.Aber ja, es wäre grossartig wenn ihm wieder kreativ zumute wäre; und ich habe die Hoffnung, dass er wieder inspiriert werden kann, noch nicht aufgegeben.Ich glaube nämlich, dass das Problem eher ein Mangel an Motivation ist. Er fühlt, dass er so viel gutes Zeug geschrieben hat und dabei auf einen so grossen Mangel an Interesse gestossen ist, dass er sich nicht mehr dazu aufraffen kann, noch mehr Enttäuschung an sich zu nehmen. Hör mal an, was er schon auf „It Makes My Heart Stop Speaking“ auf „Swimming Against The Stream“ geschrieben hat.

An was arbeitest Du im Moment?
Ich arbeite an einem Stapel von neuen Songs, davon wurden einige von Mexiko inspiriert. Aber Liebe anstatt Politik scheint im Moment den Weg zu leuchten, mit einer ziemlich extremen Ausnahme.Ich habe ungefähr die Hälfte der Texte geschrieben; Aber wie gesagt, nahm ich auch ein paar Texte von Mike Jones, die ich schon eine Weile hatte.

Du hast auch ein paar alte Latin Quarter Songs neu bearbeitet, so wie „Race Me Down“. Was war der Anlass dafür?
Ja, ich habe „Race Me Down“, „The Spearcarrier“, „Felipe Escobar“ und „Model Son“ neu bearbeitet. Der Grund dafür ist ganz einfach: Mein Freund Javier Gàmiz und ich haben letztes Jahr einige akustische Gigs gespielt. Ich habe ihm einige Latin Quarter Songs beigebracht. Er hatte die originalen Arrangements nie gehört, deswegen fing er an, echt gute neue Riffs zu erfinden – er ist ein Gitarrist. Diese Songs tönten besonders frisch, daher dachte ich, dass es gut wäre, sie neu aufzunehmen. (Eine neue Version von „Radio Africa“ hörte sich auch gut an, aber sogar meine Mutter finge an zu schreien, wenn dieser Song noch einmal neu aufgenommen würde!) Diese Versionen sind einfacher als die Originalversionen und sie gefallen mir sehr gut.

Latin Quarters musikalischer Stil war immer vielseitig, nirgends so stark wie auf „Modern Times“ und „Long Pig“. Hat das Leben in Mexiko Deinen Stil irgendwie verändert?
Grundsätzlich nicht. Da ist ein Song, der einen lateinamerikanischen Rhythmus in den Chorus einführt, und die Songs haben hier und da ein Geschmack von Mexiko. Aber grundsätzlich sind die Songs weniger verschieden ausgefallen, als ich gedacht hatte. Ich habe mich entschieden mich nicht darüber zu kümmern.Der grösste Unterschied ist, wenn dieses Album das Tageslicht sehen wird, dass es viel einfacher und nicht so ausgefeilt ist wie die von Latin Quarter. Im Moment fühle ich, dass dies eine Stärke ist. So viel Musik heutzutage ist so klimatisiert und geschmackvoll; besonders das von Singer/Songwriters, das sogar, wenn es eindeutig gut ist, (wie David Gray) auf der farblosen Linie hängt. Ich wäre glücklich, wenn sich dieses Album ein bisschen wie Demos anhören würde, wenn es dadurch echter tönt.

„Long Pig“ und „Bringing Rosa Home“ wurden beide mit einigen Session-Musiker aufgenommen. Arbeitest Du in Mexiko auch mit anderen lokalen Musiker?
Wie ich sagte, mit meinem Freund Javier Gàmiz; und für eine kurze Zeit lang mit einem grossartigen kubanischen Saxaphonist mit Namen Daniel.Leider sprechen Kubaner unglaublich schnell spanish und lassen alle ‚S‘ Geräusche aus. Ich konnte kein einziges Wort, das Daniel je zu mir gesagt hat, verstehen, aber ich liebte sein Spielen!

Es ist gerecht zu sagen, dass Latin Quarter ihre Portion Enttäuschung gehabt haben. Wie bist Du motiviert geblieben?
Na ja, Songs zu schreiben ist in sich selbst eine Belohnung und ich liebe das Aufnehmen im Studio. Live zu spielen war nie so ein grosser Anreiz. Aber hier in Mexiko lebe ich vom Unterrichten von Englisch. Und ich kann dir sagen: Nach zwanzig Jahren wieder einen Job zu haben ist eine grosse Motivierung!

Wann können wir erwarten dein neues Material zu hören?
Das hängt an irgendeiner Record Company irgendwo, die mir noch eine langfristige Verpflichtung geben wird. Ich kann kaum warten; und wie immer werde ich ihnen glauben!

Zum Schluss, Du hast die Texte für mehrere Latin Quarter Songs selber geschrieben. Kannst Du uns den Hintergrund zu diesen Songs erzählen?

„No Rope As Long As Time“….wurde geschrieben, nachdem ich die Biographie von einem der Gründer der südafrikanischen kommunistischen Partei gelesen habe. Ein Weisser, ich kann mich im Moment nicht an seinen Namen oder an den des Buches erinnern. Es tut mir leid, so ungeneu zu sein, aber es war ja schon vor 17 Jahren! Die Phrase: „No rope as long as time“, war ein Sprichwort von schwarzen Südafrikaner, mit der Einstellung, dass keine Art Unterdrückung ihnen die zukünftige Freiheit verhindern könne. Musikalisch ist der Song von Bruce Springsteen inspiriert. Nachdem ich zu jener Zeit so viel mit Keyboards komponiert hatte (öfters mit Pop-artigen Riffs, wie auf „Seaport September“, „No Ordinary Return“, „Modern Times“, „America for Beginners“, „Eddie“, „Truth About John“…) hörte ich einmal Springsteen und dachte: „Mensch! Warum probiere ich nicht einfach wieder einmal Gitarre zu spielen?“ Eigentlich hört man die akustische Gitarre kaum im fertigen Song, aber so hat es angefangen.

„February 1990″….In Februar 1990 ging ich mit einer Delegation von Schauspielern und Musikern mit, um die Wahl in Nicaragua zu observieren. Die Niederlage von der Sandinista Regierung war ein schwerer Schlag, und ich fühlte wieder einmal, dass der amerikanische Einfluss und ihr Geld die Region zur Korruption gebracht hatte. Die erste Sache, die ich in meinem Schlafzimmer sah, als ich nach London zurück kam, war ein Artikel über den Mord von vier Jesuitenpriester in El Salvador, von dem ich vor meiner Abreise gehört habe. Noch ein mittelamerikanisches Land für welches die USA viel Geld ausgegeben hatte, um eine populäre Linkstendenz zu besiegen. Der Song „February 1990“ drückt kurz meine Gefühle über diese beiden sehr verbundenen Ereignisse aus.

„The Ballad of Felipe Escobar“….In diesem Jahr fing ich an, sehr viel über Mittelamerika zu lesen. In einem Flugblatt las ich die Geschichte von einem jungen Landarbeiter in Honduras, der ermordet wurde, weil er aktiv war und gegen korrupte, despotische Landbesitzer aussprach. Das war Felipe Escobar.

„Bitter to the South“….Hat einen ähnlichen Hintergrund. Die Melodie kam von der Begegnung und dem Zusammenspielen mit den Bhundu Boys aus Zimbabwe. Aber der Text kam vom gleichen Besuch in Nicaragua 1990. Der Tomas in dem Song ist Tomas Borge, ein Anführer der Sandinistas. Im nächsten Jahr besuchte ich einen Freund, der in El Salvador für die UNO arbeitete. Wir hatten die Gelegenheit, in das von den Guerillero besetzte Gebiet zu gehen. Wir kamen in diesem ganz kleinen Dorf an, das total von Kugeln durchlöchert und voll von Motarkratern war. Wir gingen in das einzige kleine Geschäft; und da an der Wand hing es: Ein Ninja Turtle Poster! Sogar hier amerikanische Kultur.Dieser Song handelt von der Beziehung zwischen der ersten und der dritten Welt.

„Angel“….ein ziemlich einfacher Love Song, geschrieben in den atemlosen Augenblicken, wenn man am Rande der Liebe steht. (Nicht Mike Jones meistgeliebten Latin Quarter Songs! Ich glaube er findet, dass wir diese Art Lieder Bands aus Kalifornien überlassen sollten!)

„The Spearcarrier“….wurde 6 Monate später geschrieben, als diese Liebe plötzlich und unerklärlich zu Ende ging. Ich war so schockiert, so plötzlich aus ihrem Leben ausgestossen zu sein, dass ich diese Vorstellung hatte: Ein Tag der Star – der Hauptdarsteller im Leben von jemandem, am nächsten Tag – gar nichts. Wie ein Extra, ein „bit part player“ (in Shakespear) – ein Speerträger. Der Song sollte nicht gemein sein, aber er ist ironisch und ein bisschen spitz.

„Branded“….noch ein Love Song. Dieses Mal fühlte ich, dass ich eine Frau mehr liebte und begehrte als sie mich. Das ist grossartig für die Begehrung, aber sehr schlecht für die innere Ruhe! Aber vielleicht geht es bei der Liebe nicht um innere Ruhe. Erst als der Song aufgenommen war, sah ich das eindeutige Bild in der mittleren 8: ‚Kommt wie Haut zu Feuer‘, anstatt das, was ich gesungen habe: ‚Wie Eis zu Feuer.‘ Deswegen steht im Büchlein ‚Haut‘, aber in der Aufnahme ‚Eis‘.

„Love Ain’t What You Get“….dies war der vierte Versuch, einen Text für diesen Song zu schreiben: er wurde schon zur Zeit von „Swimming Against the Stream“ komponiert und erzählt von einigen meiner Freunde in London.

„Remember“….wurde geschrieben, nachdem ich Westminster Abbey besucht hatte und bemerkt hatte, wie Religion und Krieg zusammenhängen. Am Remembrance Tag sollen wir den Kriegstoten gedenken, aber an was erinnern wir uns wirklich, wenn die Kirche immer schnell bereit ist, das nächste Abenteuer zu segnen. Ich bin kein Pazifist, aber die Zweispurigkeit ist ziemlich extrem.